Analoge Liebe

 

Was technisches Spielzeug um die Jahrhundertwende, was sag ich – Jahrtausendwende, angeht, war ich ein echter Frühzünder. Erstes Handy, erster Laptop und schließlich auch erste Digitalkamera. Und irgendwie hatte ich alles schon, noch bevor ich überhaupt richtig verstanden hatte, weshalb man möglichst viele Telefonbucheinträge, Arbeitsspeicher oder Megapixel brauchte. Meine erste Digitalkamera war eine Fujifilm Finepix mit unglaublichen 3 Megapixel, der absolute Wahnsinn damals.
Ich kann mich noch gut an Klassenkameraden, oder eher an deren Eltern erinnern, die unbedingt an ihren analogen vollautomatisierten 35 mm Film- oder gar Spiegelreflexkameras festhalten wollten und miese Prognosen für die Zukunft der Digitalkamera voraussagten. Heute besitzt keiner mehr von ihnen eine analoge Kamera.

 

Zu meinem Ärgernis schlägt bei mir nicht selten anfängliche Begeisterung für einen bestimmten Trend in gähnende Langeweile um, sobald dieser Trend erst einmal wahre Massen infiziert hat. Genau aus diesem Grund habe ich bis heute nicht mehr als 3 Kapitel Harry Potter gelesen. Vielleicht lese ich in ein paar Jahren weiter.


So oder so ähnlich verhielt es sich auch mit der Fotografie. Als Digitalfoto-Pionierin habe ich die ersten Jahre genossen. Unvergessliche Momentaufnahmen hier, unzählige Schnappschüsse da. Hinzukam, dass ich die Kamera kurz vor meinem ersten Auslandsjahr bekam, was dessen Dokumentation enorm erleichterte und unheimlich verspaßte. Aber irgendwann hatte jeder eine ‘Digicam’, mein Festplattenspeicher litt unter den enormen Fotomegabytes (danke Cloud) und richtige Fotoalben gab es auch nicht mehr.

Irgendwie war die Luft raus und es gab immer gleich 10 Fotos mit demselben Motiv und nur minimalen Unterschieden. Verflogen war der Überraschungsmoment, wenn man im Drogeriemarkt die selbstklebende Fototasche vor lauter Neugier schon vor dem Bezahlen öffnete. Stattdessen wurden Fotos sofort nach der Aufnahme gelöscht, sofern man im Vanity-Zoom nicht gut wegkam.

Wie öde.

 

 

Meine Kamera verstaubte also zusehends und die Fotografie fehlte mir umso mehr. Zurück zur guten alten analogen Technik wollte ich aber auch nicht, zumindest nicht im konservativen Stil. Als ich dann durch Zufall auf die Lomografie, eine Art expressionistische Kunstform der traditionellen Fotografie, stieß, war ich schlichtweg begeistert. Tiefe Farben, die mit der bunten Welt um die Wette schillerten und eine Vignette, die dem Ganzen eine mysteriöse Ausstrahlung verlieh, ließen mich die stetig verblassende Digitalfotografie schnell vergessen.

Und es ging noch weiter: Neben der LC-A, die dem Lomo Compact Automat der russischen Firma Lomo nachempfunden ist, gibt es noch weitere Kameras mit einzigartigen Effekten, wie die Fisheye, Sprocket Rocket, oder Holga. Inzwischen haben sich neben der LC-A noch viele weitere analoge Kameras zu meiner Sammlung gesellt.

 

Mir ist also ein echtes Lomoherz gewachsen, das immer noch laut pocht, wenn ich im Drogeriemarkt meiner Wahl die selbstklebende Fototasche öffne. Und dann trennt mich nur noch ein simpler Scan von der digitalen Welt.

 

Lomografie ist für mich einfach die Perfektion in der Unvollkommenheit zu finden, dem Moment zu vertrauen und sich jedes Mal aufs Neue von der Vielfältigkeit und vom Zauber dieser Kunst überraschen zu lassen…

 

 

Weitere Einblicke, viele eindrucksvolle Fotos und die berühmten 10 goldenen Lomo-Regeln gibt es auf www.lomography.de.

 

P.S.: Eine Frage, die einfach immer wiederkehrt ist Was genau ist denn eigentlich Lomografie?

 

In einem Zeitungsartikel der Dortmunder Ruhr Nachrichten stand dazu folgendes:

“Lomografie ist eine Art analoge Schnappschussfotografie. Dabei geht es nicht um optimale Bildqualität, sondern vielmehr um spezielle Stör-Effekte, wie übertriebene Farbintensitäten oder auch bewusste Unschärfen. Lomografie-Kameras kosten zwischen 50 und 400 Euro.”

So könnte man es auch beschreiben 🙂

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